Schon lange hatte ich diesen Traum. Einmal wollte ich den größten Fisch der Welt direkt vor mir durchs Meer gleiten sehen – und mit ihm schnorcheln!
Das Ningaloo Reef bei Exmouth vor der Westküste Australiens ist einer der wenigen Orte auf der Welt, wo man mit Walhaien schwimmen kann. Jedes Jahr ab Ende März kommen hunderte Walhaie (hauptsächlich junge, männliche Tiere) in die Region mit dem riesigen, gut erhaltenen Korallenriff, das direkt an der Küste liegt und auch bei Tauchern und Schnorchlern sehr beliebt ist. Viele – wie auch ich – kommen speziell wegen der Walhaie.
Um mit einem Walhai schwimmen zu können, muss man eine spezielle Bootstour bei einem Walhai-Anbieter buchen. Denn die Walhaie befinden sich im offenen Meer hinter dem Korallenriff, wo sie von Booten und aus der Luft sowie von Forschern und Rangern des örtlichen Meeresnationalparks beobachtet werden.
Ich habe eine Tour bei dem relativ neuen, kleinen Eco-Tourism-Anbieter Live Ningaloo mit Sitz in Exmouth gewählt. Zum Glück! Denn Live Ningaloo nehmen als einzige nur maximal zehn Gäste mit an Bord (die anderen Anbieter max. 20). Die Crew um Murray, die Meeresbiologin Nat und den Fotografen Chris nehmen uns herzlich auf. An Bord ihres Boots bekommen wir erst einmal ein Briefing über Walhaie und erfahren, wie wir uns verhalten sollen, sobald wir auf einen der friedlichen Planktonfresser treffen, die hier um die sieben Meter lang werden.
An Bord unseres Boots von Live Ningaloo bekommen wir erst mal ein Briefing über Walhaie und wie wir uns verhalten sollen, wenn wir auf die friedlichen Planktonfresser-Giganten treffen.
Das Gute ist, dass die nur 15 limitierten Anbieter für Walhai-Watching und Walhai-Schwimmen hier am Ningaloo Reef strengen Auflagen unterliegen und die Touren nach ökotouristischen Prinzipien durchgeführt werden müssen. So dürfen nur maximal zehn Personen gleichzeitig mit einem Walhai im Wasser sein. Boote (und Schnorchler) müssen Mindestabstände zu den Tieren einhalten.
Wir lernen, dass wir an der Oberfläche bleiben müssen, nicht zum Walhai hinuntertauchen dürfen, um das Tier nicht zu stören. Auf gar keinen Fall dürfen wir direkt vor das Maul schwimmen (wie auf Bildern im Internet oft zu sehen). Der Rest ist ein bisschen wie beim Gorilla Tracking in Uganda oder Ruanda: Du verhältst dich ruhig und hältst Abstand, denn letztendlich entscheidet das Tier, wo es sich hinbewegt, ob es abhauen oder sogar zu dir herankommen mag.
Als wir durch eine Lücke im Korallenriff düsen und direkt auf das offene Meer hinaussteuern, merke ich, wie ich langsam etwas aufgeregt werde.
Ich bin nämlich eine totale Landratte und habe nicht nur einen Heidenrespekt vor dem Ozean, sondern auch ordentlich Schiss davor.
Ich schwimme eigentlich nie im offenen Meer – schon gar nicht mit riesigen Kreaturen unter/neben mir. Doch das soll mich nicht davon abhalten, einmal einem Walhai aus nächster Nähe zu begegnen. Entschlossen nehme ich nochmal eine Extraportion extrastarke australische Sonnencreme aus dem 1-Liter-Kanister, schnappe meinen Neoprenanzug (zum Schutz vor giftigen Quallen) und mache meine GoPro bereit. Bring it on!
Die Walhaie werden von kleinen Leichtflugzeugen aus der Luft geortet, da keine ‚Treibjagd‘-Situation entstehen darf (wie es an anderen Orten der Welt bei Walhai-, Wal- oder Delfin-Touren ja leider oft geschieht). Durch die Ortung aus der Luft kann der genaue Standort direkt an die Bootscrew weitergegeben werden, so dass man nicht lange suchen muss und die Wahrscheinlichkeit einer Sichtung extrem hoch ist.
Es dauert nur etwa eine Stunde, dann haben wir den ersten Walhai gefunden.
Leichte Hektik bricht aus. Schnell reinpressen in die Neoprenanzüge (wie ich es hasse, mich in diese Dinger zu zwängen!), Flossen an, Masken auf, GoPro bereitmachen. Wie Pinguine hüpfen wir schnell einer nach dem anderen ins Wasser.
Nervosität macht sich breit. Meine Augen suchen die wellige Meeresoberfläche ab, ich sehe natürlich nichts. Wo ist er? Nat und Chris teilen uns in zwei Reihen ein – jedes Grüppchen soll auf einer Seite hinter dem Walhai herschwimmen. Doch wo ist er?? Wir stecken die Köpfe unter Wasser.
Und dann sehe ich ihn: eine riesige, schemenhafte Gestalt gleitet nur wenige Meter entfernt durchs Wasser. Es ist fast wie ein Schock.
Adrenalin, Glück, Angst, alles gleichzeitig. Alle schwimmen sofort los und versuchen irgendwie, Nat und Chris zu folgen. Ich atme total schwer, ausgerechnet jetzt läuft meine Taucherbrille an. Alle scheinen irgendwie durcheinander zu schwimmen. Ich habe das Gefühl, das ich nicht mithalten kann. Keine Ahnung, wo der Walhai ist und wo ich bin. Chaos.
Unsere Gruppe lässt sich zurücktreiben und wir gehen wieder zurück an Bord. Das Boot fährt weiter und folgt dem Walhai, und nur wenige Minuten später haben wir eine zweite Chance, ins Wasser zu gehen.
Beim zweiten Versuch klappt es schon viel besser und ich kann mich entspannen. Ruhig atmend hefte ich mich im Abstand nur weniger Meter an die Flanke des Walhais und schnorchele hinterher, einfach so, einfach mit den Flossen schlagend. Irre!
Langsam und völlig entspannt gleitet der Walhai durchs Wasser. Viele kleine Fische scharwenzeln um ihn herum, sein großes Maul steht offen für Plankton. Seine (oder ihre) riesige Schwanzflosse bewegt sich wie in Zeitlupe hin und her, genau wie die riesigen Kiemen an der Seite. Ich glaube, ich habe noch nie ein so schönes Tier gesehen (ok, Gorillas vielleicht).
An diesem Tag schwimmen wir mit insgesamt fünf Walhaien, doch ich hätte nicht sagen können, ob es fünf verschiedene oder immer der gleiche waren.
Im Wasser verliere ich jegliches Zeitgefühl und es kommt mir vor, als ließe uns der Walhai eine Ewigkeit hinter uns herschwimmen, friedlich und ruhig. Es hat etwas Meditatives.
…wenn du an der Wasseroberfläche dümpelst… und dann einfach ein Walhai deinen Weg kreuzt!
Manchmal taucht er ab in tieferes Wasser, dann sehe ich ihn kaum noch, bevor er wieder an die Oberfläche kommt. Wir schwimmen tatsächlich lange, der längste „Swim“ geht mindestens eine Dreiviertelstunde! Wer mal zwischendurch kurz Pause machen will oder keine Lust mehr hat, lässt sich zurückfallen und vom Boot einsammeln. Ein paar Mal gehe ich kurz raus, nur um keine fünf Minuten später weiterzuschwimmen. Es ist großartig.
Ich kann nicht aufhören. Das hier und heute ist meine Chance, dieser kostbare Moment, vielleicht das einzige Mal in meinem Leben.
Beim letzten Swim passiert dann noch etwas ganz Besonderes: Ich schwimme rechts neben einem Walhai her, als auf einmal irgendetwas anders ist. Ich drehe meinen Kopf leicht nach rechts, und wie aus dem Nichts ist neben mir auf einmal ein zweiter Walhai! Und ich mittendrin! Zwischen zwei Meeresriesen! Doch sie tun mir nichts, ich lasse mich trotzdem lieber mal ein Stück zurückfallen und beobachte ihre Interaktion. Auf einmal schwimmen zwei Walhaie vor uns her! Wie krass ist das denn bitte?
Der eine schwimmt kreuzend direkt auf den anderen zu, dem es irgendwann zu bunt wird. Ganz plötzlich kommt Bewegung auf und er zischt ab, als sei er zu Tode erschrocken. Er taucht einfach ab, das riesige, sonst so gemütliche Vieh geht auf einmal blitzschnell ab, ich kann seine wahre Kraft nur erahnen. Weg ist er, und während wir noch versuchen zu verarbeiten, was wir da eben gesehen haben, taucht auch der andere ab, in die dunkelblaue Tiefe, in die wir nicht folgen können.
Was für ein Finale!
Am Nachmittag schnorcheln wir dann noch an einer tieferen Stelle des Riffs, wo wir auf uralte, meterhohe Korallen und viele bunte Fische stoßen. Noch nie habe ich so riesige Korallen gesehen. Ich freue mich, dass das Ningaloo-Riff noch so lebendig ist, und ich hoffe, dass es erhalten bleibt – auch gerade angesichts der schlechten Nachrichten vom Great Barrier Reef.
Bevor wir uns auf den Rückweg zum Pier machen, köpfen wir an Bord noch eine Flasche Schampus.
Was für ein Tag.
Die Bilder 2, 3, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 13, 14, 15 stammen von Chris von www.liveningaloo.com.au. Thank you, Chris!
Schwimmen mit Walhaien: Infos und Tipps
- Die Walhai-Touren solltet ihr so früh wie möglich vorbuchen! Sie sind recht kostspielig ($390), aber für dieses Once-in-a-lifetime-Erlebnis lohnt es sich, zu sparen. Zudem ist die Sichtung quasi garantiert! Ich habe die Tour mit Live Ningaloo gemacht, die ich euch empfehlen kann.
- Ab Sommer 2017 werden am Ningaloo Reef auch Touren angeboten, wo ihr mit Buckelwalen (!) schwimmen könnt. Ich hätte das ja so gerne gemacht, war aber zu früh da, da die Wale erst ab Juni an der Küste vorbeiziehen. Das kommt definitiv auf meine Bucket List!
- Hinkommen: Nach Exmouth könnt ihr übrigens auch von Perth und anderen Städten in Australien fliegen, wenn ihr wenig Zeit habt, und euch dann in Exmouth einen Mietwagen nehmen, um zum Riff und den Stränden zu kommen.
- Wenn ihr mehr Zeit habt: Macht einen Roadtrip nach Exmouth im Mietwagen oder Camper, zum Beispiel von Perth aus. Hier lest ihr meinen Reisebericht mit Route und Tipps für die Westküste Australiens.
- Grundsätzlich solltet ihr alles in Exmouth und am Ningaloo Reef möglichst früh verbuchen (insbesondere Campingplätze im Cape Range Nationalpark!). Die Gegend ist abgelegen (Exmouth ist nur ganz klein), aber gleichzeitig sehr beliebt bei Australiern und ausländischen Touristen.
- Special Übernachtungstipp: Sehr exklusiv, aber auch sehr besonders ist das Luxus-Eco-Camp Sal Salis. Hier übernachtet ihr in Luxus-Safarizelten direkt in den Dünen am Ningaloo Reef! Mehr dazu in meinem Reisebericht für Westaustralien.
Glamping im Luxus Safarizelt am Ningaloo Reef: Sal Salis.
Hinweise:
Die Bilder 2, 3, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 13, 14, 15 in diesem Post hat mir unser Fotograf Chris von www.liveningaloo.com.au zur Verfügung gestellt. Thank you, Chris!
Ich wurde von Tourism Australia auf die Walhai-Tour eingeladen und von Sal Salis ins Luxus-Safari-Camp. Alle Ansichten sind wie immer meine eigenen.
Wahnsinn! Was für ein tolles Erlebnis!!
Nächstes Jahr planen wir etwas ähnliches, nur mit Walen anstatt Walhaien. Ich bin schon unglaublich gespannt.
Ja, das Schwimmen mit Buckelwalen, oder? Das ist diesen Sommer ganz neu, und ich hätte das auch sooooooo unglaublich gerne gemacht – aber ich war ein paar Monate zu früh da. 😉 Ich habe mir allerdings sagen lassen, dass man mit den Buckewalen eher kurz unter Wasser ist. Die lassen einen eben nicht wie ein gemütlicher Walhai ewig hinterherzuckeln… sondern tauchen wohl recht schnell ab. Toll wär’s trotzdem!
Wow! Als Taucherin und generell großem Tierfreund steht ein solches Erlebnis bei mir auch ganz weit oben auf der Bucket List! Danke für die tollen Tipps und die Bilder, jetzt hab ich gleich Lust einen Flug zu buchen um auch mit den freundlichen Riesen ins Wasser zu steigen 😉
Danke! Ja, das ist wirklich ein ganz besonderes und seltenes Erlebnis, auf das ich auch lange gewartet habe. Ich hoffe, du siehst die Walhaie auch mal!
Super Bilder. Walhaie gehören zu den schönsten und anmutigsten Lebewesen. Hoffentlich bleiben sie uns erhalten.
Vielen Dank, das hoffe ich auch!
Freut mich für dich das du dir deinen Traum erfüllt hast. Das ist mit Sicherheit das unglaublichste Gefühl neben so einem riesen Wesen zu schwimmen. Hammer das du dich trotz deiner Angst daran gewaagt hast. Wie du wohl persönlich an der Experience gewachsen bist. 0_0
Mir geht es wie dir Schiss und Respekt, aber steht aufjedenfall auf der Bucket List. Echt eine total heiße Story, lässt mich richtig mit fiebern. <3
Genau, und vielen Dank! Die Neugier ist halt wieder mal größer als die Angst. 😉 Und keine Angst zu haben, wäre auch irgendwie nicht normal in so einer Situation. Die Frage ist einfach, ob man sich dadurch von Dingen abhalten lässt bzw. wie man damit umgeht. 🙂
Wunderschön, dass ihr so viele Begegnungen (und Fotos) mit den Walhaien hattet! Wir hatten damals einen “relativ schnellen”, der nur einige Male an uns vorbei gezogen ist und den ich entsprechend nur einmal vorbeischwimmen gesehen habe. Doch diese eine Begegnung hatte für mich etwas unglaubliches, unbeschreibliches… vielleicht sogar lebensveränderndes. Liebe Grüsse, Miuh
Das ist ja interessant! Vielen Dank!
Super toller Beitrag! Ich bin gerade auf der Suche nach einem passendem Anbieter, da ich mir nächstes Frühjahr auch diesen Traum erfüllen möchte 🙂 Wie lange im Voraus würdest du denn empfehlen das zu buchen?
Dankeschön! Wir hatten im Januar/Februar für Ende April gebucht und da war es schon schwierig, unser Wunschtermin nicht mehr verfügbar. Dazu muss man allerdings sagen, dass um den Zeitraum herum auch die australischen Osterferien lagen. Ich würde daher sagen, auf jeden Fall ein paar Wochen vorher! Bzw. sobald ihr könnt. Ich wünsch euch viel Spaß!