Patagonien hat mir viele Wünsche erfüllt: Meine erste Reise nach Südamerika (Hola Chile!), die endlosen Gras-Weiten der „Pampa“ (ja, hier gibt’s die Original-Pampa), exotische Tiere schauen (Guanacos! Flamingos! Nandus! Gürteltier! PUMA!!!), schneebedeckte Berge und Fjorde, riesige Gletscher, deren Ausmaß vermutlich nur noch von Grönland übertroffen werden kann.
Und, vor allem:
Einmal mit Eisbergen kajaken – vor einem Gletscher!
Eigentlich dachte ich an jenem Morgen, als wir kurz vor Sonnenaufgang auf holprigen Schotterstraßen durch die Weite Patagoniens in Richtung Torres del Paine Nationalpark heizten, dass der Tag durch nichts mehr zu übertreffen sei.
Er hatte zwar noch nicht mal richtig angefangen, als kurz vor Sonnenaufgang ein Puma direkt neben unserem Auto auf die Straße schlich.
Er war groß, sandfarben und katzenartig-elegant, wie man ihn sich eben vorstellt, und ich hatte Tränen in den Augen, so geflasht war ich. Doch das sollte nicht das einzige Highlight an diesem Tag bleiben…
Kurze Zeit später marschieren wir noch etwas schlaftrunken über einen langen, weiten Strand zu einem Boot, mit dem wir die nächsten 1 1/2 Stunden über einen eiskalten, kilometerlangen See tuckern – den Lago Grey, Gletschersee des mächtigen Glacier Grey (auch Glacier Grey, Grey Glacier genannt) und Teil des mächtigen Torres del Paine Nationalparks im tiefen Süden Chiles.
Schon vom Boot aus sehe ich die ersten Eisberge im grauen Wasser schwimmen, sie sehen aus wie Skulpturen.
Dann, ganz hinten am anderen Ende des Sees, kommt auf einmal der Gletscher ins Blickfeld – eine weiße Wand, die aus dem Wasser ragt und den ganzen Abhang dahinter hinaufkriecht. Der Grey Glacier ist 22 Kilometer lang, und das, was wir staunend vor uns sehen, ist nur der kleinste Teil von ihm, wenn auch der faszinierendste: seine Gletscherzunge.
Kajaken am Glacier Grey im Torres del Paine Nationalpark
Am rechten Ufer des Gletschersees gibt es eine Wanderhütte, das Refugio di Grey, in der ich einige Tage später bei meiner mehrtägigen Trekking-Tour im Torres del Paine Nationalpark übernachten werde. Kurz davor liegt die Kajakstation von Big Foot Patagonia am Ufer. Hier setzt uns das Boot mithilfe eines Zodiac-Beiboots ab.
Als erstes bekommen wir dort erst mal eine Einführung verpasst, unterschreiben ein Formular (das übliche “wenn wir sterben, ist es nicht eure Schuld”), dann geht es an die Ausrüstung: Neoprenanzüge und Neoprenschuhe, wasser- und winddichte Kajakjacken, Paddel, Fäustlinge aus Neopren und das lustige Neopren-Röckchen, das als Spritzschutz und Abdeckung der Öffnung dient, wenn man im Kajak sitzt.
Dann tapsen wir rüber ans Ufer zu den Kajaks, wo eine weitere Einweisung folgt: „Wie halte ich das Paddel richtig?“ „Was mache ich, wenn ich reinfalle?“ „Wie nah darf ich an die Eisschollen und den Gletscher ran?“.
Eigentlich klingt alles ganz easy.
…und so steigt man übrigens wieder ein, falls man rausfällt!
Wir werden auf die Kajaks aufgeteilt, steigen ein, werden von unseren Guides ins Wasser geschoben und los geht’s! Mit Freude stelle ich fest, dass es sich um lange schmale Sea Kayaks mit Lenkpedalen (!) handelt. Perfekt!
Außer Sea Kayaking in Kanada und Neuseeland (Level: „mal ausprobieren“) habe ich eigentlich gar keine Kajak-Erfahrung, doch die braucht man hier zum Glück auch nicht. Das Wetter heute ist perfekt, da erstaunlich windstill für patagonische Verhältnisse: Der See liegt ruhig und ohne Wellen da, und wir nehmen Kurs auf die kleinen Eisberge, die zu unserer Linken träge vor sich hindümpeln.
Der Glacier Grey ist vergleichsweise inaktiv, weshalb er einer der wenigen Gletscher ist, vor dem man gut herumkajaken kann, ohne dass man ständig in Lebensgefahr schwebte, weil große, mehrere Stockwerke hohe Teile jederzeit abbrechen und große Wellen verursachen könnten. (Das Seewasser hat 2 Grad – da WILL man auch gar nicht reinfallen. Es ist quasi keine Option!). Seine mächtige Gletscherzunge wird von einem „Nunatak“ in zwei Teile geteilt, einer Felseninsel, und wir paddeln in der geschützteren Bucht an seiner rechten Seite.
Mit unseren Guides wagen wir uns vorsichtig an die Eisberge heran. Ich lerne, dass sie sich theoretisch ganz plötzlich bewegen können, sogar umfallen, sich drehen oder Strudel im Wasser verursachen. Doch es passiert nichts, alles bleibt ganz still und und wir kommen sogar so nah an sie heran, dass wir sie vom Kajak aus anfassen können!
Ich hätte noch viel länger um die kleinen Eisberge herumpaddeln und sie aus der Nähe bestaunen können, doch die Guides rufen zum Aufbruch – wir paddeln nun direkt auf den Gletscher zu.
Glacier Grey: Fifty Shades of Blue
Wie eine weiß-blau schimmernde Wand, die immer größer wird je näher wir kommen, ragt er vor uns auf.
Eigentlich ist das, worauf wir gerade zupaddeln, nur seine Gletscherzunge, die in den See hineinfließt. Die Eisberge sind einfach nur abgebrochene Stücke von ihm – man sagt, der Gletscher „kalbt“.
Das tut er momentan zum Glück nicht, so dass wir immer weiter herankönnen.
15 Meter? 20 Meter?
Schwer zu sagen, doch es fühlt sich sehr nah an, die Wand aus Eis ragt vor uns auf wie „The Wall“ aus Game of Thrones und ich höre zum ersten Mal, welche Geräusche das Eis macht, wo es auf das Wasser trifft. Ein seltsam tiefes, knarzendes Geräusch, ganz anders als alles, was ich jemals gehört habe.
Dann werden die Guides nervös. „Turn back!!!“ – wir werden zurückgepfiffen, es wäre lebensgefährlich, wenn jetzt ein großes Stück abbricht. Wir paddeln etwas zurück, und doch hoffe ich heimlich, dass ich das mal zu Gesicht bekomme.
Kurze Zeit später passiert es tatsächlich.
Zum Glück nur am äußersten rechten Rand, und ich habe natürlich keine Kamera zur Hand, ich starre nur. Dann brüllen die Guides Kommandos, wir richten die Kajaks quer zur Richtung der Welle aus, die wir erwarten, doch die bleibt diesmal nur ganz klein.
Spielplatz aus Eis: Landgang mit Gletscherblick
Wir landen an, am äußersten Rand des Gletschers, balancieren in unserem schicken Kajak-Dress über die Felsen der Gletschermoräne, glattgeschliffen über abertausende von Jahren und glitschig vom einsetzenden Sprühregen. (Ratet mal, wer natürlich aufs Klo muss und sich erst mal aus dem kompletten Neopren-Ganzkörperoutfit herausschälen darf…).
Oberhalb der Anhöhe haben wir dann einen unglaublichen Blick auf den Gletscher. Die Stimmung ist vergnügt, wir essen Schokolade und machen Quatsch auf den Felsen.
Von hier sieht die rechte Gletscherzunge unglaublich schön aus, das Eis vor uns bläulich schimmernd, aufgefaltet wie Origami, aber hoch wie Hochhäuser.
Auf dem Rückweg leihe ich mir von unserem Guide Jorge ein Einer-Kajak aus und paddle selig zurück, nur ich in meiner Welt.
Ich stelle wieder einmal fest, was für eine besondere Möglichkeit kajaken ist, um eine Landschaft zu erkunden. Alles ist still und friedlich, auch der mächtige Gletscher selbst.
Voller Selbstvertrauen nehme ich Kurs auf zwei kleine Eisberge – und paddle mitten zwischen ihnen hindurch. Dann ist es auch schon vorbei, wir landen an und trinken alle zusammen noch ein Craft Beer aus Puerto Natales.
Was dann geschah? Ich fuhr zum Adventure Travel World Summit nach Puerto Varas, und weil’s so schön war, bin ich danach direkt nach Patagonien zurückgekehrt, zu einer mehrtägigen Wandertour im Torres del Paine Nationalpark – natürlich nicht, ohne gleich noch ein zweites Mal Gletscher Kajaken zu gehen. Und ich würde es sofort auch noch ein drittes Mal tun!
Gletscher-Kajaken: Infos und Tipps
Hinkommen:
Am Besten fliegt ihr von Deutschland aus nach Punta Arenas ganz im Süden von Chile, z.B. mit LAN Airlines über Santiago de Chile (so bin ich auch geflogen).
Von Punta Arenas gibt es regelmäßige Busverbindungen nach Puerto Natales, die nächstgelegene Stadt am Torres del Paine Nationalpark bzw. Glacier Grey (die aber auch noch 2 1/2 h Autofahrt davon entfernt ist.) Es gibt aber auch Busse direkt zum Nationalparkeingang.
Den Gletscher bzw. die Kajakbasis könnt ihr von dem Parkplatz in der Nähe des Hotels Lago Grey mit dem Boot erreichen wie oben beschrieben. Das Ganze ist von Puerto Natales aus auch als Tagesausflug machbar, was ich euch aber aufgrund der langen Fahrten und Distanzen nur im Notfall empfehlen würde. Besser sind Unterkünfte im Park und hinwandern!
Wenn ihr einen der mehrtägigen Treks im Torres del Paine macht so wie ich den W Circuit, dann kommt ihr automatisch am Lago Grey vorbei, könnt bei der Kajakbasis eine Tour buchen und dann in der Wanderhütte Refugio di Grey übernachten. Das hab ich einige Tage später gemacht – und war dann gleich nochmal kajaken…
Kajaktouren zum Grey Glacier
Gibt es nur beim Anbieter Big Foot Patagonia, mit Sitz in Puerto Natales und beim Glacier Grey. Infos und Preise findet ihr auf der Website.
Vielen Dank an Fantástico Sur und Big Foot Patagonia für die Einladung!
Hinweis: Dieser Artikel wird gesponsert von LAN Airlines.
Ein wirklich schöner Bericht. Und diese Fotos erst! 😀
Bisher hatte ich irgendwie immer Respekt vorm Kayaking, da ich das Gefühl habe, dass meine Beine eingesperrt sind. Sollte ich wohl mal überdenken. 😉
Lieben Gruß
Danke! Ja, unbedingt! Ich finde, man hat sogar eine recht gute Beinfreiheit, sehr cool sind auch die Kajaks mit Lenkzügen (über Pedale). Solange das Wasser ruhig ist und es keine großen Wellen gibt, ist das eigentlich echt ganz easy! Sitzen und schauen und genießen…
die fotos sind der hammer!
Vielen Dank! Alles iPhone und GPro – hab mich nicht getraut, die große Kamera rauszuholen. 😉
Ich habe schon begeistert deine Snaps aus Patagonien verfolgt. Ein Gebiet was ich bisher nie auf den Schirm hatte – Südamerika an sich irgendwie nicht. Aber du hast es geschafft – Wieder etwas Neues auf meiner To Travel List! Wunderschöne Bilder!
Danke! Freu mich mega! (Und dabei hab ich noch nicht mal viele Snaps hochbekommen, weil ich ja so oft vom Internet abgeschnitten war). Mich hat Südamerika früher auch nie so gereizt, aber Chile war toll! Es soll jedenfalls nicht der letzte Trip gewesen sein. 😉
Patagonien.. so schön! Ich habe gerade gestern eine Terra X Folge über Patagonien gesehen und die Bilder waren einfach unglaublich. Chile an sich hatte ich eh schon auf meiner Travellist stehen, aber Patagonien hat es mir gerade so richtig angetan…
Vielen Dank für die tollen Bilder 🙂
Oh, das ist die Doku, die ich auch anschauen wollte und dann verpasst hab. 😉 Danke, freut mich! Die weiten Landschaften sind wirklich ganz wunderbar. Ich muss da ganz dringend auch nochmal hin!