In Hanoi eine Straße zu überqueren gleicht einer Übung, die einen gewissen Mut und Vertrauen in das Universum erfordert. In großen Trauben ziehen knatternde Motorroller vorbei, dazwischen Autos, Busse und Fahrrad-Rikschas. Der Verkehr in der Sechs-Millionen-Metropole ist ein scheinbar endloser Strom, der seinen eigenen, für uns nur schwer nachvollziehbaren Regeln folgt, und in den man sich buchstäblich hineinwerfen muss, wenn man jemals die andere Straßenseite erreichen will. Der Trick ist, einfach loszulaufen – nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam! Augen auf und durch, vorsichtig und bestimmt zugleich.
Und schon bist du mittendrin.
Ganz unterschiedlich sind im Vorfeld meiner Reise die Meinungen zu Hanoi, der Hauptstadt Vietnams im Norden des Landes. Man liebt Hanoi, oder man hasst es, so scheint mir, doch ich halte nicht viel von solchen Aussagen. Denn wenn mich meine vielen Reisen eins gelehrt haben, dann dass die Welt sich selten so schwarz-weiß präsentiert. So auch mit Hanoi:
Die Stadt mag vielleicht nicht die schönste sein, doch sie hat einen ganz eigenen Charme, der mir gut gefallen hat.
Hanoi ist ein guter Startpunkt für eine Rundreise durch Vietnam oder Südostasien und für Touren in den Norden Vietnams und die Halong-Bucht an der Küste. Wer noch nie in Südostasien war, ist vermutlich erst einmal etwas überfordert vom Gewusel auf den Straßen, der Hitze und dem Verkehr. Doch ich finde, es lohnt sich, sich zwei bis drei Tage auf die Stadt einzulassen. Es gibt viel zu entdecken! In diesem Artikel nehme ich euch mit in die vietnamesische Hauptstadt und gebe euch ein paar persönliche Reisetipps für Hanoi.
Der Jadeberg-Tempel am Hoan-Kiem-See
Fast klingt es nach einer Art vietnamesischer Artus-Sage: Eines Tages bekam ein armer Fischer von einer riesigen, im See lebenden goldenen Schildkröte ein magisches Schwert. Da ihn das Schwert unbesiegbar machte, konnte er damit im 15. Jhd. in einer großen Schlacht die Truppen der Ming-Dynastie vernichtend schlagen und wurde daraufhin selbst König. Doch die goldene Schildkröte forderte das Schwert zurück. Es stieg über dem See empor und verwandelte sich in einen jadefarbenen Drachen, bevor es herabstürzte. Noch heute erinnert der hübsche “Schildkrötenturm” im See an dieses Ereignis.
In Hanoi gibt es mehrere Seen in der Stadt, doch der “See des zurückgegebenen Schwertes” oder Hoan-Kiem-See ist der bekannteste. Er trennt die Altstadt vom French Quarter, dem ehemaligen französischen Kolonialviertel, und kann bei einem Spaziergang leicht umrundet werden. Am Wochenende werden die Straßen am See für den Verkehr gesperrt und zu einem Treffpunkt flanierender Einheimischer und Touristen.
Auf einer Art Insel im See liegt der Jadeberg-Tempel, den ihr über eine geschwungene, hübsche rote Brücke erreicht. Obwohl er eine beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Hanoi ist, empfand ich ihn als eine angenehme Oase der Ruhe, die in der trubeligen Stadt dann doch immer wieder auftauchen. Innen befinden sich mehrere kleine Schreine und ein Altarraum, es wird gebetet und es werden Opfergaben dargebracht wie symbolisches Papiergeld oder aufwändige Obstkörbe, und vom Hof hat hat einen schönen Blick auf den See. Kurios: In einem Nebenraum ist eine über zwei Meter lange und 400 Jahre alte Schildkröte ausgestellt, die einst im See lebte und nach ihrem Tod konserviert wurde.
“Ob die magische goldene Schildkröte aus der Legende wohl immer noch im See lebt?”, frage ich mich, bevor ich noch einen letzten Blick auf den See werfe, durch das Tor trete und wieder eintauche in den Trubel der Altstadt, wie in eine andere Welt.
In der Rikscha durch die Altstadt
Nach unserem Besuch im Jadebergtempel steigen wir jede/r in eine Rikscha und brechen zu einer kleinen Tour auf. Auf diese Art und Weise die Altstadt zu erkunden ist gar nicht so schlecht, stelle ich nach anfänglicher Skepsis fest, vor allem, wenn man neu in der Stadt ist und einen der chaotische Rollerverkehr und das Gewusel erst einmal überfordern. So kann ich mich erst einmal zurücklehnen und einfach schauen und staunen – denn oooh ja, es gibt unglaublich viel zu kucken!
Die Altstadt von Hanoi mit ihren von hübschen alten Häusern und schattigen Bäumen gesäumten Straßen voller Läden, Cafés, Restaurants und Guesthouses ist sowieso einer der attraktivsten und charmantesten Orte für Reisende in der Stadt. Natürlich kann man die Altstadt auch gut zu Fuß erkunden, es macht sogar sehr viel Spaß, denn das Leben spielt sich hier auf der Straße ab. Da werden Geschäfte gemacht, es wird köstliches Streetfood gebrutzelt, in den gefühlt 1.000 Cafés kann man einen Stopp für den köstlichen vietnamesischen Kaffee einlegen und das Treiben beobachten. Auch Shopping-technisch werdet ihr hier vielleicht fündig. Zwischen Souvenirshops reihen sich auch ein paar besondere Läden, ein bisschen Hipster, ein bisschen Vintage-Chic, ein bisschen Öko – dem Geschmack von Reisenden wie mir angepasst, die mich z.B. mit ihren Korbwaren, Taschen, coolen Kunstdrucken und Karten, Kleidern oder handgemachter Keramik magisch anziehen.
Auf der Suche nach dem besten Streetfood
Es soll Menschen geben, die nur wegen des Essens nach Vietnam reisen. Nachdem ich in Hanoi tagelang nur gegessen habe, muss ich sagen: Das ist absolut einleuchtend! Die vietnamesische Küche ist frisch, vielseitig und unglaublich lecker. Besonders vor Ort! Ähnlich wie in Thailand gibt es hier ganz viel tolles und qualitativ hochwertiges Streetfood, das an kleinen Garküchen am Straßenrand und in kleinen Straßenrestaurants frisch zubereitet wird. Für unsere Augen sehen die Restaurants oftmals etwas schäbig und improvisiert aus, das Essen ist aber meistens der Knaller! Eines meiner liebsten Erlebnisse ist, in einer netten Straße auf einem der kleinen Plastikstühlchen direkt auf dem Gehweg Platz zu nehmen, leckeres Streetfood zu ordern und beim Essen einfach das Treiben zu beobachten.
Da man als Außenstehender ja meist nicht weiß, welches Streetfood es so alles gibt und wo es am besten schmeckt, empfehle ich euch eine geführte Streetfood-Tour. In Hanoi haben wir so an einem Abend sieben verschiedene Streetfood-Stände und -Restaurants kennengelernt, dabei Klassiker der lokalen Küche gekostet und uns ordentlich durchgefuttert. Danach konnte ich mich übrigens echt nicht entscheiden, was mir am besten geschmeckt hat, weil einfach alles gut war und ich gleich mehrere Favoriten hatte!
- Unsere empfehlenswerte Streetfood-Tour mit Anh Duy findest du hier.
- Eine alternative Streetfood-Tour in einer kleinen Gruppe kannst du hier buchen*, eine private Streetfood-Tour im Cyclo durch die Altstadt hier.*
Hier ein paar vietnamesische Streetfood-Spezialitäten, die du unbedingt probieren solltest, wenn du da bist:
Nom/Dried Beef Salad: Papayasalat mit Minze (schmeckt wie Nudeln), getrockneten Rindfleischstreifen, gehackten Nüssen und Essig-Dressing, eine beliebte Vorspeise
Banh Cuon: Dünne, gerollte und gedünstete Reis-Pfannkuchen mit Pilzen und Schweinehack-Füllung, Röstzwiebeln und Minze, wird beim Essen in Fischsauce gedippt
Bun Cha: gegrilltes Schweinefleisch auf Reisnudeln
Phở: die berühmte Nudelsuppe mit tagelang geköchelter Fleischbrühe, Rindfleisch und Reisnudeln, auch als Version mit Hühnerbrühe und Hühnerfleisch
Egg Coffee: Vietnamesischer Kaffee, mit schaumig geschlagenem Eigelb statt Milch und Honig bzw. Zucker zubereitet. Schmeckt cremig-süß und echt lecker!
A propos Kaffee: Hanoi ist ein Ort für Kaffeeliebhaber. Ob klein und mokka-artig stark, mit gesüßter Kondensmilch oder als Eiskaffee mit gefrorerer Kokosmilch, probiert euch auf jeden Fall durch den vietnamesischen Kaffee! Zum Glück gibt es ihn immer und überall und gefühlt an jeder Ecke. Den tollen Iced Coffee mit der gefrorenen Kokosmilch bekommst du übrigens in der Coffeeshop-Kette Cong Ca Phe, deren Filialen im Retro-Vietnamkriegs-Style eingerichtet sind. Einen Abstecher wert ist auch das kuriose Post-It-Café The Note Coffee, das über und über mit bunten Post-Its dekoriert ist. Auch den cremig-süßen Egg Coffee lohnt es sich zu probieren! Das Original gibt es beim Café Trung (“Egg Coffee Cafe Trung” bei Google Maps).
Hanoi Train Street & die Faszination der Zugtrasse
Vermutlich kennt ihr auch die Bilder dieser schmalen Gasse mit den Zug-Gleisen in der Mitte, auf denen die Menschen wie selbstverständlich ihrer täglichen Arbeit nachgehen, Hühner herumspazieren und Kinder spielen. Dann wird plötzlich in Windeseile alles weggepackt und muss Platz machen für den Zug, der nur wenige Zentimeter von den Häusern entfernt durch die enge Gasse rauscht und wirklich zum Greifen nah ist. Ein faszinierendes Spektakel und ein toller Foto-Spot in Hanoi!
Als wir bei der berühmten Hanoi Train Street ankommen, bin ich jedoch erst mal baff: Die vormals ursprünglich wirkende Train Street ist mittlerweile voller kleiner Cafés und Bars, die sich entlang der Schienen reihen. Das Insta-Game ist strong und überall posieren meist asiatische Touristen mit Selfiesticks, junge Frauen lassen sich auf den Schienen von ihren Instagram Husbands ablichten. Obwohl die kleinen Bars bunt und einladend aussehen, bin ich irgendwie enttäuscht und komme mir gleichzeitig dumm vor, weil ich etwas ‘Authentischeres’ erwartet hatte. “Die Einheimischen verdienen mittlerweile Geld, indem sie ihre Häuser an die Cafébetreiber vermieten”, erklärt mir unser einheimischer Guide. Wer bin ich, mich darüber aufzuregen, dass sich die Train Street zu einem reinen Touristenspektakel gewandelt hat?, denke ich. Ich bin ja schließlich auch hier! Und sollte ich die Einheimischen nicht unterstützen, indem ich etwas kaufe (zumal es sich bei den Menschen, die an den Bahngleisen wohnen um ärmere Menschen handelt)?
Das alles geht mir durch den Kopf, während ich alles in mich aufnehme und die Bahngleise auf- und ablaufe. Trotz allem: Die Hanoi Train Street ist nach wie vor ein faszinierender, besonderer Ort. Doch kurz nach meiner Reise im Herbst 2019 erfahre ich, dass die Train Street geschlossen wurde, angeblich aus Sicherheitsgründen. Irgendwie schade, auch für die Café-Besitzer und -vermieter (und ich hoffe, dass sie sich eine neue Existenz aufbauen können). Was ich aber eigentlich sagen will: Da es sich bei dem touristischen Teil der Train Street nur um einen kleinen Abschnitt der Zugtrasse handelte, könnt ihr auch weiterhin einen Blick auf den Zug werfen, wie er durch die engen Gassen tuckert, z.B. von den Schranken direkt bei der alten “Train Street” (die Straße heißt Ngo 224 Le Duan).
Ein alternativer Tipp: Bahnhof Long Bien
Eine weitere Möglichkeit, einmal auf Hanois Schmalspur-Bahngleisen zu spazieren und die Einfahrt und Vorbeifahrt eines Zuges zu erleben, ist beim Bahnhof Long Bien. Er ist erhöht gebaut und der Zug Richtung Sapa fährt von dort weiter über eine erhöhte Brücke, an der ihr einfach mal ein Stück entlanglaufen könnt.
Da der Zug nicht oft fährt, kann man sogar einfach auf die Gleise spazieren!
Oase der Ruhe im See: Die Tran-Quoc-Pagode
Ein von Palmen gesäumter Weg führt auf die kleine Insel im Westsee (Ho Tay), Heimat des ältesten buddhistischen Tempels in Hanoi. Schon auf dem Weg zum Eingangstor mit seinen fröhlich-gelbgestrichenen und mit Verzierungen bemalten Mauern erspähe ich die mehrstöckige Pagode aus roten Ziegelsteinen, die aus der Anlage emporragt. Der Tempel wurde bereits im 6. Jahrhundert gegründet und beheimatet mehrere Schreine. Er ist wie eine wunderschöne Oase der Ruhe in der heißen, trubeligen Stadt.
Einheimische beten an den verschiedenen Schreinen und bringen Opfergaben dar, zum Beispiel aus kunstvoll arrangierten Früchten, und über allem liegt der Duft zahlloser Räucherstäbchen. Interessant sind die Schreine mit weiblichen Buddhas – handelt es sich hierbei vielleicht um noch ältere Gottheiten? Im hinteren Innenhof strahlt ein riesiger alter Bodhi-Baum noch mehr Ruhe aus und kuriose Schilder zeigen auf, durch welche Taten man ein gutes Karma bekommt. Das Nachmittagslicht ist wunderschön und ich wünschte, wir könnten noch zum Sonnenuntergang bleiben… dann muss es hier wunderbar sein! (Merkt euch den Ort bei klarem Wetter als Sonnenuntergangs-Spot vor!)
Praktische Reisetipps für Hanoi
Anreise: Wer wie ich mit Vietnam Airlines fliegt, kann einen Aufenthalt in Vietnam im Rahmen eines kostenlosen Stopovers sogar mit einer Reise nach Japan (ich war in Osaka) oder Südkorea verbinden und so auf einer Asienreise zwei Länder bereisen, was ich ganz interessant fand.
Übernachten: Wir haben im Tam Hotel übernachtet, einem freundlichen, günstigen Mittelklasse-Hotel in einer netten Gegend mit schmalen Straßen und Local Shops. Es liegt auf einer kleinen Insel im Truc-Bach-See und ist eine gute, ruhigere Alternative zu einer Unterkunft in der Altstadt.
Transport vor Ort: Was anderswo die Uber-Taxi-App ist, ist in Hanoi die App “Grab”. Hierüber kannst du dir zu deinem Standort ein Taxi oder Motorroller-Taxi rufen und über die App bezahlen. Günstig und sehr praktisch, um in Hanoi von A nach B zu kommen! Eine Alternative ist die App “Go Viet”. Tipp: Wenn du Motorroller oder Rikscha fährst, empfehle ich dir eine Atemschutzmaske wegen der Abgase. Es gibt sie für wenig Geld in kleinen Kiosken und Supermärkten.
Gut zu wissen: In Vietnam ist es wie in anderen Ländern in Südostasien üblich zu handeln, wenn du etwas kaufen möchtest. Nicht gehandelt wird jedoch bei Preisen für Essen (Streetfood & Restaurants) und Medikamenten.
Mehr Impressionen und Tipps für Hanoi findest du bei Alice, die auch das Bild von mir in der Rikscha geschossen hat (Danke dafür!).
Warst du auch schon mal in Hanoi und hast Tipps? Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Offenlegung: Ich wurde von Vietnam Airlines und Tam Travel im Rahmen einer Bloggerreise zur Recherche nach Hanoi eingeladen. Vielen Dank dafür! Meine Ansichten sind wie immer meine eigenen.
Dieser Beitrag enthält Affiliate-Links. Ich bekomme eine kleine Provision, wenn ihr hierüber etwas bestellt, für euch entstehen dadurch keine Mehrkosten. Danke!
Sehr nützliche Tipps 🙂 Allerdings ist mir das Handeln sehr im Gedächtnis geblieben. Vor allem das Handeln beim Essen, das immer viel zu hoch angegeben wurde. Nach zwei Wochen hätte ich es toll gefunden ohne Handeln zu müssen etwas zu Essen kaufen zu können aber das war einfach nicht drin. Ich frage weshalb ich da so viel handeln musste und du nicht …
Davon ab ein spannender Ort, der eine Reise lohnt!
Lieber Markus,
Danke für deinen Kommentar und interessant, dass du ganz andere Erfahrungen gemacht hast! Ich jedenfalls habe diese “Regel” in Hanoi so gelernt. Es kann natürlich dennoch gut sein, dass man als westlicher Tourist beim Essen einen höheren Preis genannt bekommt. (Wobei ich mich auch an mindestens 2 Restaurants erinnern kann, wo die Preise an der Wand angeschlagen waren, oder in der Karte genannt. Da hätte Handeln nicht wirklich Sinn gemacht… Auch in Cafés waren die Preise eigentlich immer fix und oft auch in der Karte einsehbar. Interessant jedenfalls – muss ich beim nöchsten mal genauer beobachten! 😉
Hallo
Ich würde gerne nach Hanoi reisen und seine Kultur und seine wunderschönen Landschaften kennenlernen.
Mal sehen, ob wir etwas organisieren und fliehen können.
Vielen Dank für den Austausch Ihrer Erfahrungen.
Dankeschön! Ich drücke die Daumen, dass es bald mit einer Reise klappt!
Ich war vor 4 Jahren in Vietnam und war begeistert von der lebendigen Stadt Hanoi. Beim Lesen deines Beitrags kommen viele schöne Erinnerungen hoch! =)
Danke für den tollen Artikel!
Das freut mich, vielen Dank!
Cooler Blogpost, danke. Wir ware gerade dort und können Deine Erfahrungen bestätigen. D