Wann standet ihr das letzte Mal auf einem Berggipfel? So richtig oben drauf, mit Panoramaaussicht und dem Gefühl, dass alles andere gerade ganz weit weg ist? Bei mir ist das noch gar nicht so lange her – Mitte Juni stand ich auf dem Gipfel der Hohen Salve in Tirol. Und das kam völlig unerwartet…
Doch zurück zum Anfang. Gemeinsam mit Elena und Johannes war ich nach Söll gekommen, um mich auf die Spur von Hexen zu begeben. Ja, ganz recht. In der Gegend gab es vor langer langer Zeit nämlich mal zwei Schwestern, die angeblich Hexen waren und dann plötzlich verschwanden. Der örtlichen Bevölkerung war schnell klar, dass sich die beiden in Holzschemel verwandelt haben mussten, denen dann einfach kurzerhand der Prozess gemacht wurde – die Holzschemel landeten auf dem Scheiterhaufen. Seitdem sind Hexen hier Programm. Und die meisten gibt es wohl oben auf der Alm.
An einem verregneten Junimorgen treffen wir die erste von ihnen schon unten an der Talstation: Marianne. Eigentlich sieht sie gar nicht aus wie eine Hexe – was vermutlich daran liegt, dass sie ihr Hexenkostüm heute gegen Jeans und Wanderstiefel eingetauscht hat (schade eigentlich!). Dafür gibt es an der Gondel tatsächlich Hexenbesen, und wir schweben hinauf auf die wolkenverhangene Alm, die heute besonders verwunschen wirkt. Oben angekommen wird mir klar: Die nehmen das hier Ernst mit den Hexen.
Sie sind überall. Je genauer man hinsieht, desto mehr entdeckt man: lebensgroß geschnitzte Hexen aus Holz, Hexen auf Schildern, in den Planken von Holzbänken, durch die Luft fliegende Hexen aus Metall, in die Höhe ragende Besen. Hexen sind hier Programm. Dort, wo im Winter die Post abgeht, fließt im Sommer das „Hexenwasser“. Und das betreibt ein ganzes Gelände voller Wasserspiele: Kanäle, Wasserräder, Kneipp-Anwendungen, Wasser-Klangschalen.
Neben den ‘ganz normalen’ Wanderwegen gibt es einen „Hexenpfad“, einen „Barfuß-Erlebnispfad“, eine Kreativwerkstatt usw . – natürlich alles schön auf Hexen gebrandet. Das Ganze ist eigentlich eher was für Familien mit Kindern, denk ich mir. Die hölzernen Sonnenliegen auf der Alm und das Brotbacken im traditionellen Ofenhäuschen sind schon eher mein Ding.
Am frühen Nachmittag fangen die Wolken auf einmal an, sich zu lichten. „Ein gutes Omen! Jetzt können wir doch auf den Gipfel!“ Moment mal, Gipfel? Was wie wo? Irgendwo da oben in den Wolken muss er sein. Müssen wir da jetzt hochwandern??
Wir haben natürlich die völlig falschen Klamotten an (leichte, schon jetzt völlig durchweichte Turnschühchen und Chucks und so). „Kein Problem, wir fliegen!“, meint Hexe Marianne. Und so kam ich nur wenige Minuten später ungeplanterweise (und ohne große Anstrengung, ich geb’s zu) doch noch auf einen Berggipfel – wo mich weitere Skurrilitäten erwarten.
Da ist der halb in den Boden eingelassene Kopf eines Riesen (ja, hier oben regieren nicht mehr die Hexen, sondern die Riesen!), eine gewaltige Windharfe, ein Weg rund um den Gipfel voller Sonnenuhren, da sieht man Schnee im Juni und den Hof aus „Der Bergdoktor“, da ist ein Berg, der aussieht wie ein Elefant, die Terrasse des Gipfelrestaurants, die genau eine Weißbierlänge braucht, um sich einmal um 360 Grad zu drehen und ein Panorama-WC („Ausblick ohne Einblicke“).
Das Beste ist tatsächlich der Ausblick, ob vom Panorama-WC oder einfach so: Von der Hohen Salve (1.828m) hat man einen 360-Grad-Panoramablick auf 70 (!) Dreitausender! Als dann noch ein Murmeltier aus seinem Bau gekrochen kommt, ist klar: Die Hexen waren uns heute wohlgesonnen.
Disclaimer: Danke an das Hexenwasser Hochsöll und Hexe Marianne, die uns auf die Hexenalm eingeladen haben. Vielen Dank auch an Elena von Kreativreisen Österreich! Alle Ansichten sind meine eigenen.