“Rrrrring rrrring!” Der Wecker klingelt bestimmt schon zum dritten Mal. Noch mit geschlossenen Augen quäle ich mich aus dem Bett unseres schäbigen Motels. Zähneputzen, anziehen, Tasche schnappen und los. Es ist noch dunkel, als wir uns auf die alten Fahrräder schwingen. Selbst die frühaufstehenden Burmesen sind morgens um 5 noch nicht unterwegs. (Hab ich schon erwähnt, dass ich früh aufstehen hasse?) Noch halb schlafend, ohne Gangschaltung und Licht biegen wir von der Dorfstraße auf die holprige Landstraße. Immerhin haben wir eine (einzige) Stirnlampe dabei. Mehrere Kilometer Landstraße voller Schlaglöcher im Dunkeln liegen jetzt vor uns. Was mach ich hier eigentlich?? Ich muss verrückt sein!!
Nicht ganz. Wir befinden uns nämlich in Bagan, mehrere hundert Kilometer nördlich von Yangon, in Myanmar, auch bekannt als Burma. Und dieser Ort hat auf mich schon seit Jahren eine fast magische Faszination aufgeübt, ähnlich wie die geheimnisvolle Felsenstadt Petra. Fast 4.000 jahrhundertealte Tempel sind hier in der Ebene verstreut. Kleine, halbverfallene Pagoden aus Ziegelsteinen, aber auch riesige, mehrere Stockwerke hohe Tempelanlagen kann man hier auf eigene Faust zu erkunden. Wunderschöne Bilder hatte ich in meinem Kopf und mir war klar: Da muss ich eines Tages hin. Bagan im Morgenlicht sehen, die Tempel in der Ebene noch im Dunst. Nämlich ungefähr so:
Das Bagan-Sehnsuchtsfoto. Quelle: Flickr. Fotograf: Tristan Clarke
Mit diesem Bild vor dem inneren Auge (draußen ist es immer noch stockdunkel) biegen wir von der Landstraße auf einen Sandweg ab, mitten hinein in die flache Zentralebene von Bagan. Einheimische hatten uns die angeblich beste Pagode für den berühmten Sonnenaufgang von Bagan verraten und uns den Weg dorthin auf unserer Karte eingezeichnet. Eigentlich alles klar soweit!
Nach ein paar hundert Metern dann die erste Abzweigung. Hmm. Keine Schilder mehr, nicht mal burmesische… aber die grobe Richtung – passt! Dann die nächste Abzweigung. Und die nächste. Der (unbeleuchtete) Weg wird immer unpassierbarer, der Sand immer tiefer, dorniges Gestrüpp links und rechts… Wir geraten ins Schlingern und müssen absteigen. Jetzt schieben wir die Fahrräder durch den Sand – und kommen so noch langsamer voran. Es dämmert bereits. Bei mir auch: Wir haben uns verirrt!
Mist. Aber jetzt schon umkehren ist auch keine Option. Irgendeinen schönen Sonnenaufgangstempel müssen wir hier doch finden! Wir passieren eine kleine Farm, deren Bewohner noch schlafen. Die Hähne krähen… Irgendwie sah die Ebene auf den Fotos immer viel kleiner aus, als würden die Tempel viel dichter beeinander stehen!? Wir haben jegliche Orientierung verloren und steuern einfach mal den nächsten großen Tempel in Sichtweite an. ‘Von dort oben hat man bestimmt eine gute Aussicht!’
Pustekuchen. Der Tempel ist zu. Von menschlichem Leben keine Spur, irgendwie unheimlich hier… Sollten hier nicht noch andere Leute unterwegs sein, die auch den Sonnenaufgang anschauen wollen?? Zu allem Überfluss fängt es jetzt auch noch an zu regnen. Das Wetter ist so schlecht, dass von Sonne sowieso keine Spur zu sehen ist. Vielleicht haben wir ja doch noch ein bisschen Zeit?! Also weiter… Wir lassen die Fahrräder zurück. Jetzt wird das Terrain zu Fuß erkundet!
Und irgendwo ganz da hinten sind tatsächlich ein paar schöne Pagoden zu sehen. Also nix wie näher hin, quer über die Felder! Irgendein gutes Foto müssen wir doch wohl hinkriegen!
Aber es hat einfach nicht sollen sein, mit uns und dem Sonnenaufgang. Mit Bagan.
Unsere weiteren Querfeldeinversuche werden mehrfach von streunenden Hunden vereitelt, die uns den Weg abschneiden. Frustriert, hungrig, nassgeregnet (und nassgeschwitzt) treten wir irgendwann den langen Rückzug an. Yvonne hat dann auch noch einen Platten, den ein supernetter Burmese mal eben am Straßenrand flickt, und den wir zum Dank zum Essen einladen.
Vielleicht waren unsere Erwartungen einfach zu hoch, die Hochglanzfotos zu gephotoshoppt. Manchmal geht auf Reisen ja auch einfach alles schief…
Den perfekten Sonnenaufgangsspot haben wir nie gefunden – aber eigentlich gab es aufgrund des schlechten Wetters auch gar keinen wirklichen Sonnenaufgang in Bagan. Zumindest nicht als wir da waren (eigentlich gab es auch keinen ‘richtigen’ Sonnenuntergang.) Aber das ist eine andere Geschichte…
Vielleicht hätten wir besser mal ihn angeheuert?
Ob es sich trotzdem lohnt, nach Bagan zu reisen? Würde ich es eines Tages wieder tun? Ich sage: ja. Aber ich stehe auch total auf Tempel. Die Ebene mit den vielen Pagoden finde ich nach wie vor einzigartig. Und ich bin grundsätzlich dafür, einfach mal hinzufahren und sich selbst ein Bild zu machen. Auch wenn das nachher anders aussieht als die vielen tollen Bilder im Kopf…
Ging es Euch auch schon mal so? Wo?
Toller Artikel! Auch wenn ihr nicht das Beste Wetter hattet, sieht es aus als wenn es einen Besuch wert ist! Vielleicht schaffst du den Sonnenaufgang ja beim nächsten Besuch 😉
lg Tobi
Danke Tobi! Ist schon schön da, aber eben nicht so, wie es einen die vielen tollen Fotos immer glauben machen wollen. Aber so ganz hab ich Bagan für mich noch nicht aufgegeben 😉 Hoffe, ich komme eines Tages nochmal dorthin und habe mehr Glück…
Ich war im Oktober ebenfalls auf der Suche nach dem perfekten Sonnenuntergang – und meine Bilder sind auch nicht wirklich besser geworden. Ich denke, in der Regenzeit werden die Fotos schöner, weil sich dann die roten Sonnenstrahlen sehr viel eindrücklicher in den Wolken wiederfinden. Bei mir wars dann aber so, dass die Wolken so dicht waren, dass man von der Sonne plötzlich gar nichts mehr sah.
Hallo Oli, na da bin ich ja froh, dass wir nicht die einzigen waren, denen es so ging 😉 Das nächste Mal (wenn es denn eins gibt), werde ich vielleicht mal im Sommer hinreisen, also in der Nebensaison. So ganz hab ich Bagan noch nicht aufgegeben 😉
Absurde Frage, aber warum Fahrrad? Tuk-Tuks und Rikshaws kosten doch sogut wie nix in Myanmar und die Kutscher wissen eigentlich genauso viel wie die ratschlagenden Einheimischen, die euch den Tempel gewiesen haben…
Schade natürlich, wenn man nur eine Chance auf solche Ereignisse hat. Ich hatte mal ein ähnliches Erlebnis in Nepal http://www.claudiumdiewelt.de/2006/02/bad-day.html
Ärgerlich sowas. Aber deshalb muss der Rest des Landes ja nicht schlecht sein 😉
LG Claudi
Halo Claudi, da gab es keine Tuktuks 😉 Und auch keine Fahrrad-Rikschas/Samlors wie in Inle Lake… Taxi bzw, Fahrer anheuern haben wir versucht, aber das war auch ein Desaster (Fahrer sprach kein englisch, wusste nicht wohin bzw. zu welchen Tempeln, Auto kaputt, dann ohne Licht nachhause auf der Landstr. (bzw. mit Taschenlampe vorne rausgestreckt, Sonnenuntergang auch verpasst… naja, das ist die andere Geschichte, auf die ich oben anspiele ;-)) Bagan selbst mit dem Fahrrad erkunden macht voll Spaß und ist eigentlich die beste Möglichkeit. Hat allerdings auch so seine Tücken, wie Du oben siehst 😉
😀 die Götter waren nicht wirklich mit euch, oder?
Schön, dass dir das Land dennoch gefällt 🙂
LG Claudi
Yep, waren sie nicht 😉 Aber irgendwie war’s trotzdem eine tolle Erfahrung, vor allem die Begegnungen mit den Menschen!
Hi,
haben gerade deinen Baganbericht gelesen, da wir vor kurzem auch dort waren. Wir hatten nämlich auch diese Fotos im Kopf, die seit zwei Jahren in den Hochglanzzeitschriften rumgeistern. Aber wir hatten mehr Glück (und mehr Zeit) als du, denn wir haben tatsächlich die Postkartenidylle vorgefunden, die wir uns erwünscht haben (http://reisekribbeln.blogspot.de/2013/01/bagan-from-dawn-till-dusk.html).
Viele Grüße und mehr Glück in OZ
Anja und Daniel
PS: Wir sind gerade heute vom Uluru zurück nach Sydney geflogen. Du müsstest ungefähr zur selben Zeit dort gewesen sein, oder?
Oh toll! Ich sehe, ich muss Bagan doch noch eine Chance geben! 😉 Ich bin schon vor 10 Tagen von Alice Springs nach Cairns (mit kleinem Umweg über Uluru) geflogen. Happy memories! Haben uns also knapp verpasst… Euch noch viel Spaß in Australien!
Genau das Foto habe ich auch immer im Kopf wenn mich die Sehnsucht nach Burma packt. Schöner Artikel! Ich werde auch noch mal meinen eigene Versuch starten, das Sehnsuchtsbild zu schießen. Betsimmt bringst Du ganz viele andere Bilder mit zurück.
GUte Einstellung! Ich glaube, ich bin mittlerweile sogar über die Sehnsuchtsbilder von Bagan im Kopf hinweg, und würde ehrlich gesagt gerne nochmal hinfahren – auch wenn es wieder durchregnet und wieder alles schief geht! 😉
Ich musste gerade schmunzeln, als ich deinen Artikel gelesen habe.
Uns ist es letztes Jahr genau so ergangen!
Wir waren vier Tage da. Jeden Morgen sind wir um sechs Uhr (!) mit der Kutsche zu unserer Sonnenuntergangs-Pagode gefahren. Jedes Mal kam dann die Enttäuschung – Es wurde hell und wir sahen eine dicke Wolkendecke.
Eine Pärchen aus den USA mit tonnenweise Fotoausrüstung hat es noch schlimmer erwischt. Nach sieben Tagen Ausrüstung auf die Pagode schleppen, lagen die Nerven blank. Das F-Wort fiel sehr oft 🙂
Hochglanzfotos, wie dein Beispiel oben, entstehen also meist durch harte Arbeit.
Also – Nicht aufgeben!
Mein Tipp für das Traum-Foto in Bagan ist übrigens die Dhammayzika-Pagode.
PS. mir sind dann doch noch einige Bilder gelungen:
http://www.myanmarexplorer.de/galerie.htm
Viele Grüße
Marcus
Danke Markus – haha, da bin ich ja froh, dass ich nicht die einzige bin! 😀 Da sieht man erst, was diese Hochglanzfotos mit einem machen und was für Erwartungen schon vor der Reise geschürt werden. Eigentlich ist es am Besten, irgendwo hinzureisen, worüber man nichts weiß und einfach total erwartungsoffen ist, und sich einfach mal überraschen lassen…
Hallo Susi! 🙂
Bin immer mal wieder hier gelandet und bin begeistert von der Art und Weise, wie Du Dinge und Erlebnisse siehst und verschreibseln kannst. Ich nehme mir schon lange vor, auch mal loszubloggen, vielleicht sollte ich es einfach tun … Gleich heute noch. Stoff dafür gibt es genug.
Aber nun zu Burma, auf das ich hier gerade erst gestoßen bin …
Meine Mutter kommt aus Burma, aus einem kleinen Dorf südwestlich von Yangon, das man nur mit Boot erreichen kann. Leider war ich mit 12 das erste und letzte Mal im Land. Ich kann mich aber noch gut erinnern, wie wir damals durch die Hauptstadt gezogen sind – Shwedagon Pagoda, Inya Lake, Kandawgyi Lake, Zoo, diverse Märkte, damals gab es noch kleine Gefährte, die man auch Tuk Tuk nannte, tagsüber waren wir häufig bei meinen Tanten zu Hause, damals musste man gegen 22 Uhr wieder im Hotel sein, eine Art Ausgangssperre für Foreigner. Vollkommen fasziniert war ich damals komischerweise von den Ampeln, auf denen Rot- und Grünphase in Sekunden heruntergezählt wurden. Das hatte ich im fortschrittlichen Europa noch nie gesehen. Und das in Burma? 1994! Sachen gibt’s! Und die Menschen dort sind tatsächlich alle so unglaublich freundlich gewesen.
Ansonsten ging es noch mit einem vollkommen unbequemen Klein”bus”, stundenlang, nachts startend mit vielen Familienmitgliedern Richtung Kyaiktiyo, dort wo der berühmte goldene Felsen steht. Auf dem Weg gab es Rast in kleinen Straßenküchen am Wegesrand. Den Berg hinauf sind wir gelaufen, zickzack, steil, viele kleine Stände am Wegesrand, übernachtet wurde oben in einfachen Hütten. Runter ging es via LKW. Ja, richtig, damals konnte man sich auf die Ladefläche eines LKW setzen und wurde im Höllentempo die Schotterpiste nach unten gefahren. Nichts für schwache Nerven und krasser als eine Fahrt mit der Achterbahn. Bei uns aus Sicherheitsgründen sicherlich undenkbar.
Im Januar 2015 geht es endlich wieder nach Südostasien. Mein Bruder heiratet in Thailand in der Nähe von Surin und kurz darauf feiern wir den 60. Geburtstag meiner Mutter in ihrem Dorf in Burma, falls wir dorthin gelassen werden, ansonsten eben in Yangon. Inle Lake, Bagan und ein bisschen Strand in Chaung Tar oder Umgebung stehen wahrscheinlich noch auf dem Programm. Zu viel nehmen wir uns nicht vor. Ich lasse mich gerne treiben, man kann sowieso nicht alles auf einmal sehen und mit Familienanschluss ist die Wahrscheinlichkeit wiederzukommen tatsächlich recht hoch.
Danke für Deine Inspirationen zum Heimatland meiner Mutter, dass ich leider noch viel zu wenig kenne.
Viele Grüße,
Adele
Hallo Adele,
vielen Dank für deinen tollen Kommentar – wie das wohl gewesen sein muss damals in Burma? Wahnsinn!
Das Interessante ist, dass ich ähnliche Erinnerungen habe und das war ja erst vor knapp 1 1/2 Jahren! 😉
Viele Dinge waren immer noch so – die holprigen Busfahrten, die freundlichen Menschen, die abgelegenen Dörfer (Tuktuks hab ich allerdings keine gesehen!). Man konnte Ende 2012 auch nirgends Geld mit Karte abheben und es war tatsächlich das einzige Land, in dem ich je war, in dem es keine Coca-Cola gab, auch viele Webseiten waren gesperrt und Internet gab es auch ganz oft nicht. Alles nur eine Frage der Zeit – das Land verändert sich ja derzeit so schnell… wie das in ein paar Monaten wohl sein muss? Ich hoffe, du fängst dann auch an zu bloggen und ich kann es lesen! 😉
Würde auch gerne nochmal hin und schauen, wie es dort jetzt so ist… und Bagan noch eine Chance geben.
Dir eine schöne Reise in dieses spannende Land!
Susi
Hallo Susi,
wir waren Anfang März in Bagan und fanden es ganz wunderbar. Ich war schon in Borobudur, am Taj Mahal, … – aber Bagan war für mich das bisherige Highlight. Die Abendstunden fanden wir gar nicht so schön, dafür den Sonnenaufgang umso schöner.
Wer du möchtest, dann schau doch mal unter http://www.travelcats.de/asien/myanmar/bagan-maerchenlandschaft-in-der-savanne/ vorbei – dort sind ein paar unserer unzähligen Bildern (mit und ohne Ballons :)) bereits online.
Liebe Grüße
Kathleen
Hallo Kathleen, sehr schöne Bilder, Danke! Ich glaub ich muss doch nochmal nach Bagan…
Hi Susi,
deine Reiseberichte sind wirklich super 🙂 Wart ihr damals auch an einem Strand in Myanmar? Wir planen gerade die Route und überlegen, Ngapali oder Myeik mitzunehmen – obwohl letzteres ja eher schwierig zu erreichen sein soll.
Danke und liebe Grüße!
Nein, wir waren damals nicht an einem Strand, daher kann ich dazu leider gar nichts sagen! Könnte allerdings interessant sein, und würde mich auch mal inetressieren, wie man da hinkommt und wie es da ist!